Freitag, 13. Januar 2012

Bank Job


Bevor ich Bank Job sah, wusste ich kaum etwas über diesen Film. Es geht um einen Bankraub, Jason Statham spielt mit und die Kritiker fanden ihn wohl ziemlich gut. Basierend darauf, aus welcher Art von Filmen ich Statham sonst kenne, erwartete ich einen sehr rasanten, actionreichen Bankraub-Thriller. Was ich stattdessen bekam ist ein spannender, ruhig erzählter Thriller, der sich britischer Skandale und einem mysteriösen, wahren Banküberfall annimmt. Und Jason Statham hat verflucht viel Text! So, für seine Verhältnisse. Und er hat nicht nur coole Oneliner!

Bank Job spielt im Jahr 1971. Die Handlung wird in Gang gesetzt, als der Werkstattbesitzer und geläuterte Kleinkriminelle Terry seine alte Freundin Martine Love trifft. Diese erzählt von ihrem letzten Urlaub, und wie sie aus sicheren Quellen erfahren hat, dass eine Londoner Bank derzeit große Sicherheitsmängel aufweist. Obwohl Terry und seine alte Bande nur kleine Dinge drehte, schlägt Martine vor, dass sie alle zusammen über sich hinauswachsen und in diese Bank einsteigen. Zunächst zweifelnd, willigt Terry letztlich ein und trommelt die für einen Einbruch nötige Mannschaft an "Spezialisten" an. In Wahrheit verfügen sie alle aber nur über gefährliches Halbwissen ...
Parallel dazu zeigt der Film Ausschnitte aus der Londoner Unterwelt und den korruptesten Winkeln von Vater Staat. So gerät der Drogenschmuggler Michael X, der sich selbst ein Image als schwarzer Bürgerrechtler aufbaute um seine Machenschaften vertuschen zu können, ins Visier der Geheimdienste, nachdem er sich äußerst unzüchtig mit Prinzessin Margaret gebierte. Diese Handlungsfäden finden im Laufe des Films auf schlüssige sowie für viel Spannung sorgende Weise zusammen ...

Bank Job zeigt, wie man den Terminus "inspiriert von einer wahren Geschichte" korrekt verwendet. Es gibt bessere Filme über echte Begebenheiten, und auch historisch akkuratere. So lange wir uns aber von semidokumentarischen Spielfilmen wegbewegen, und unseren Blick auf Filme lenken, die auf Basis einer wahren Geschichte eine spannende, eigenständige Handlung entwickeln wollen, geht dieser britische Heistmovie einen löblichen Weg. Ehe mich die vier Sanctum-Fans steinigen, die den von James Cameron produzierten B-Thriller mit einer Passion verteidigen, die sich sonst den Verehrern eines langlebigen und komplexen Franchises wie Star Wars geziemt:
Bank Job basiert auf einem legendären Kriminalfall, der die Medien und Behörden Großbritanniens auch Trab hielt, bis die Regierung ein Dekret erließ, welches die Berichterstattung klein halten sollte. Die Akten sind noch immer unter Verschluss, die Hintergründe des Banküberfalls wurden öffentlich nie näher beleuchtet. Roger Donaldsons Thriller lässt sich als ein Stück spekulativer Fiktion verstehen, dass einen verbrieften, wahren Fall nimmt und lautstark über die im Dunkeln liegenden Geschehnisse reflektiert, indem er wagemutig Verbindungen zu Skandalen zieht, die sich im selben Zeitraum ereigneten.  
  
Sanctum hingegen bezeichnet ein einen kreativen Geistesblitz begleitenden Moment als wahre Begebenheit, auf der die Filmgeschichte basiert. Das ist ein rekordverdächtiger Sprung von dramaturgischer Bearbeitung echter Ereignisse hin zu glattem Marketingbetrug. Am Autor von Sanctum zog mal ein Sturm vorbei, es geschah nichts tragisches, und so kam er auf die Idee, einen Thriller über Höhlentaucher und einen tropischen Sturm zu schreiben. Wenn mir während meiner gemütlichen Autofahrt zum nächstgelegenen Bahnhof die Idee zu Crank 3: Nun mit mehr Explosionen als die letzten drei Michael-Bay-Filme zusammengerechnet kommt, renne ich auch nicht durch die Weltgeschichte und schreie "basiert auf wahren Begebenheiten!" Wenn ich aber aufzeige, wie eine schlagzeilenträchtige Verschwörung hätte ablaufen können ...

Und tatsächlich sind die Mutmaßungen, die die Drehbuchautoren Dick Clement und Ian La Frenais anstellen plausibel sowie sehr filmtauglich. Es gibt einige völlig unerwartete Wendungen, genauso wie sich ganz offensichtlich anbahnende Twists, die wie ein Damoklesschwert über den trotz gewisser Sympathie durchgehend gebrochenen Hauptfiguren schweben. Es könnte tatsächlich so ähnlich abgelaufen sein, ist vor allem aber auch Stoff für einen Diebstahl-Thriller, der auf den glatten Style und den glänzenden Humor von Ocean's Eleven oder The Italian Job verzichtet, um etwas dreckig-realistischer an das Heist-Konzept heranzugehen. Es fühlt sich sehr kurios an, so etwas zu schreiben, aber ja, Jason Statham spielt in einem "erwachseneren", "bodenständigeren" britischen Gegenpart zu George Clooneys Starvehikel Ocean's Eleven die Hauptrolle.

Die Figuren sind allesamt den Genreansprüchen gemäß mehrschichtig geschrieben, allerdings haben die Autoren über diesem Streben nach Authentizität versäumt, ihre Figuren auch mit genügend herausstechenden Merkmalen zu versehen. Letztlich sind die Bankräuber rund um Terry zwar sympathisch und realistisch makelbehaftet, allerdings verschwimmen nach Filmsichtung bereits alle Nicht-Jason-Statham-Kerle miteinander. Was den einzelnen Figuren an Denkwürdigkeit fehlt, hat aber die gesamte Gruppe zu bieten: Statt der üblichen Gentlemen-Verbrecher oder den raubeinigen Mistkerlen bietet Bank Job eine Truppe von Kleinverbrechern, die durch Zufall die Chance für einen großen Knall erhält, aber eigentlich weit, weit unter dem dafür nötigen Niveau liegt. Was für eine sehr reizvolle Dynamik sorgt.

Jason Statham muss in Bank Job seine wohl schwerste Rolle meistern, was ihm auch gelingt. Man kauft ihm den überforderten, bauernschlauen Kleingangster auch in den unsicheren Momenten ab. Dennoch finde ich Statham in Crank und Transporter cooler und somit besser. Anspruch muss nicht immer alles sein.

Auch der audiovisuelle Stil weiß zu gefallen: Roger Donaldson pflegt on Bank Job eine bodenständige, unaufgeregte Inszenierung, die dennoch einen unübersehbaren 70er-Touch hat. Statt allerdings den Zuschauer mit dem 70er-Flair zu erschlagen, wird generell eher beiläufig durch gut ausgewählte Kostüme, einem genialen Soundtrack (unter anderem mit Get It On und Lola) sowie authentischen Drehorten ein Gefühl für diese Ära vermittelt. Bloß in der korrupten Unterwelt zeigen absurd freizügige, weibliche Bedienstete mit 70er-Matten (und damit meine ich nicht das Haupthaar) etwas offensiver, dass wir uns um die vierzig Jahre in die Vergangenheit bewegen.

Was Bank Job davon abhält, von einem guten Genrevertreter zu einem absoluten Pflichtfilm seiner Art aufzusteigen, ist neben den genannten, einzeln betrachtet eher undenkwürdigen Figuren auch die Erzählweise des Films. Phasenweise werden die interessanteren Elemente, wie etwa der die Räuber abhörende Amateurfunker, zurückgestellt, um weniger packende, generellere Gespräche zwischen den Figuren auszuwalzen. Es sind immer wieder nur Kleinigkeiten, die den zuvor fesselnden Film kurz etwas weniger packend dastehen lassen, aber es summiert sich nunmal.

Trotzdem ist Bank Job eine hervorragende britische Produktion mit einem Jason Statham, der weiterhin in seinem Element ist, nur halt längst nicht so wild und aufgedreht, wie in seinen unterhaltsamsten Filmen.

Siehe auch:

3 Kommentare:

WildHuhn hat gesagt…

Gute Kritik mit der ich jedoch nicht übereinstimme.

Frage: Kriegen wir von dir eine Kritik des neuen VERBLENDUNG von David Fincher.

Stefan Kraft hat gesagt…

@WildHuhn: Verfolgst Du etwa nicht Sir Donnerbolds Twitteraccount? Ich bin empört! ;-) Sir Donnerbold (bürgerlicher Name Sidney) hat für Quotenmeter eine Kritik verfasst: http://www.quotenmeter.de/cms/?p1=n&p2=54322&p3=
Ob Sir Donnerbold eine subjektive Kritik hier im Blog nachreicht, kann ich natürlich nicht sagen.

Cooper hat gesagt…

@WildHuhn:
Bei einer und im besonderen dieser Kritik von Sir D nicht übereinzustimmen steht dir selbstredend frei. Jedoch hoffe ich, dass du auf Nachfrage meinerseits durchaus Interesse zeigst, diese Abweichung von Sir D.s Tenor der Kritik zu erörtern.

@Stefan Kraft:
Schuldig im Sinne der Anklage. <.< ICH gestehe - ja, auch ich sündige! Wie wohl WildHuhn und hoffentlich nicht nur ihr, so entgehen mir ebenfalls die meisten Twitterinfos des werten Erpel! T__T

@Sir D.:
Nichts für ungut Sid - aber auch wenn ich deinem Blog, deiner Quotenmeteraktivität sowie deiner Twitter-Frequentierung einen hohen Zuspruch wünsche, so wünsche ich mir gleichfalls - nicht mit WildHuhn zusammen die einzigen Leser deines Blogs zu bilden, die nicht deinen Twitt-Acc. als Nachrichtenersatz im Götzenkleid anbeten. ;-)

LG Coop.

Oh - bevor ich´s vergesse:
Ich fand "Bank Job" ohne Trailer u.a. vorer dazu gesehen zu haben. Gewarnt aber durch den Hauptdarsteller von Neugier getrieben ließ auch ich mich dazu verführen, mir diese Gaunerkomödie mit teilweise als wirklichkeitsgetreu vermuteten Durchgreif-Maßnahmen anzuschauen.

Ich fand ihn sehr gut - wenn auch nicht überragend.

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