Dienstag, 5. April 2011

Europas Splash Mountain

Als Michael Eisner noch alle Zacken in der Krone hatte, so berichtet die Legende, nahm er seinen Sohn mit in die heiligen Hallen von Walt Disney Imagineering, damit er sich die Vorschläge für neue Themenparkattraktionen anschaut. Eine dieser Ideen gefiel dem Fratz so sehr, dass Eisner ohne den Pfennig zweimal umzudrehen das grüne Licht gab. Und so entstand mit der Wildwasserbahn Splash Mountain einer der größten Publikumsrenner. Die Vorlage, der kontroverse Familienfilm Onkel Remus' Wunderland, hält der Konzern derweil vehement unter Verschluss.

Disneyland Paris wartet seit bald zwanzig Jahren auf seine eigene Wildwasserbahn. Die Gründe sind mannigfaltig: Finanzielle Probleme, die stete Diskussion über europäische Wetterverhältnisse und das Problem mit dem Filmmotiv. Meiner Meinung nach alles Schwachsinn. Wenn wir Dinge wie das Toy Story Playland bekommen können, sollte auch mal eine Wildwasserbahn drin sein. Und nahezu jeder deutsche Freizeitpark hat seine eigene Wildwasserbahn - als betrete man beim Überqueren der deutsch-französischen Grenze plötzlich eine völlig neue Wetterzone. Notfalls reguliert man im Winter den Wasserstand - und wenn es friert, hat die Attraktion halt zu. Egal, dafür wird sie in den Sommermonaten ein echter Besuchermagnet. Bei Eis und Schnee sind einige Fantasyland-Attraktionen, das eben genannte Toy Story Playland oder die Stuntshow Moteurs... Action! schließlich auch nicht gerade echte Kracher...

Bleibt bloß das leidige Filmthema, und gerade dies sollte das geringste Problem darstellen. Disney soll sich ja weigern, Splash Mountain für Europa 1:1 zu klonen, obwohl mit seiner Thematik hier noch weniger Ärger zu erwarten ist, als in den USA. Nun, auch wenn ich das nicht nachvollziehen kann, lassen wir Disney dieses Mal den Willen. Stattdessen fragen wir uns doch mal, was Disney stattdessen als Inspiration für einen europäischen Splash Mountain nutzen könnte. Ist ja nicht so, als bestünde ein Mangel an Disney-Produktionen...

Platz 5: Pocahontas
Das Gerücht, für Europas eines Tages anstehende Disney-Wildwasserbahn hätten die Imagineers ein Pocahontas-Themening vorhergesehen, hält sich mit einer beeindruckenden Vehemenz. Und gewiss wären etwaige Pläne für eine Wildwasserbahn zu Disneys Zeichentrickmusical des Jahres 1995 nachvollziehbar. Immerhin wird in Pocahontas so viel irgendwelchen Flüssen entlanggepaddelt, wie in wohl keinem zweiten Disney-Film. Insofern hat Pocahontas alles, was man für eine Vorlage zu einer gelungenen Wasserattraktion benötigt: Schöne, am Wasser entlangführende Landschaften, die Stromschwellen (und Wasserfälle) sind bereits im Film enthalten und man kann sich an den Ohrwurm-Melodien Alan Menkens bedienen. Jedoch spricht manches auch gegen eine Pocahontas-Wildwasserbahn. So ist Pocahontas ein recht ernster (um nicht zu sagen trockener) Disney-Zeichentrickfilm, so dass man entweder ihm unrecht tun müsste (indem man ihn für eine Spaßattraktion nutzt), oder dem Original-Splash Mountain unschönerweise einen gestrengeren europäischen Partner vorsetzen. Vom Feeling her finde ich Pocahontas wirklich nicht ideal für eine E-Ticket-Attraktion, und es gibt einige Filme, denen ich eine so aufwändige Attraktion konstanter gönnen würde. Bei Pocahontas gäbe es wieder Phasen, wo ich mir sehr unsicher wäre.
Und naja, auch unabhängig von meiner monatlich wechselnden Zuneigung zu Pocahontas scheint er einen sehr polarisierenden Stand bei den Disney-Fans zu haben. US-Fans argumentieren häufig, dass die Florida-Version des Feuerwerkspektakels Fantasmic aufgrund des ausführlichen Pocahontas-Segments deutlich schlechter gealtert sei, als sein sich mehr auf Peter Pan konzentrierendes Pendant in Kalifornien. Nimmt man einen unbekannten Film, steht die Attraktion für sich. Nimmt man einen beliebten, ist alles fein. Nimmt man einen Film, der viele denken lässt "ach, stimmt, der... mrmpf" - dann wird's haarig.
Außerdem stellt sich die Frage, wohin denn die Pocahontas-Attraktion soll. Indianer gehören üblicherweise ins Frontierland, doch dort passen nur Wild-West-Indianer hin, nicht die eher nördlich angesiedelten Exemplare aus Pocahontas. Discoveryland und Fantasyland fallen thematisch allerdings noch stärker raus. Bliebe also das Adventureland. Ihr wisst schon: Der ferne Orient, Afrika, die Tropen... und Neuengland. Passt...

Platz 4: Ein Königreich für ein Lama
Während ich ein wenig Bauchgrimmen kriege, wenn ich daran denke, Neuengland im Adventureland vorzufinden, sehe ich bei Ein Königreich für ein Lama keinerlei Probleme. Fakire, Piraten, Archäologen... wenn dazwischen auch noch Inkas aufkreuzen, ist das Abenteuerpaket doch perfekt! Neben der Indiana-Jones-Achterbahn einen Inkatempel aufzubauen, wäre thematisch ja wahrlich kein Bruch.
Darüber hinaus eignet sich Ein Königreich für ein Lama perfekt für einen geistigen Nachfolger des Original-Splash Mountain. Die Musik mag nicht ganz so eingängig sein, aber wie schon der US-Splash Mountain mit witzigen Sequenzen aufwartet, kann auch die Lama-Attraktion stark auf Humor setzen. Trotzdem kann man aus der Inka-Thematik noch einige aufregende Elemente kitzeln. Und das beste: In Yzmas Versteck gibt es bereits eine wilde Fahrt zu erleben! Der Film mag im Kino nicht derart erfolgreich gewesen sein, weshalb dieser Vorschlag wohl Wunschdenken bleibt, aber auf DVD erhielt er gewissen Kultstatus. Groß genug, um eine TV-Serie in einer Zeit geschenkt zu bekommen, in der sich Disney im Trickgeschäft eher rar machte. Relativ frisch im Gedächtnis der Leute wäre Kuzco also auch...

Platz 3: Das Dschungelbuch
Bleiben wir im Adventureland: Reiche Dschungellandschaften, malerische Flüsse, hochgefährliche Raubtiere, zerfallene Ruinen längst vergangener Kulturen... und ein swingender Soundtrack, bei dem kein Bein still bleibt. Wieso sich Walt Disney Imagineering nicht längst drangesetzt hat, dem Disneyland Paris eine Dschungelbuch-Wildwasserbahn zu spendieren, ist mir ein Rätsel. Vielleicht ist man nunmehr zu sehr darauf erpicht, sich aktuellen Kinofilmen zu widmen, als dass man an einen Klassiker aus dem Jahre 1967 denken würde. Dabei bräuchte das Adventureland nicht nur dringend eine weitere Fahrattraktion und hätte mit dem Dschungelbuch eine fantastische Inspirationsquelle, wir Europäer würden sie auch mit wild wedelnden, offenen Armen empfangen. Ein Flop war der Film in den USA ja nicht gerade, doch hier ist er ein viel elemntarer Teil der Popkultur. Es ist Deutschlands erfolgreichster Film aller Zeiten (und uns Deutsche muss der Park ja mal wieder viel lauter ansprechen), es ist Frankreichs erfolgreichster Disney und bei den Briten belegt er Platz 2 der Disney-Zeichentrickhitliste. Menschenskind Mowgli, es ist ein Titel aus der Platinum-Kollektion, verflucht noch eins, der Film muss also wohl offensichtlich etwas im Disneykunden ansprechen. Irgendwie wäre es auch nur gerecht, wenn unser Splash Mountain vom Dschungelbuch handeln würde: Des Deutschen Obsession mit Probier's mal mit Gemütlichkeit dürfte dem US-amerikanischen Disney-Liebhaber ähnlich mysteriös sein, wie den Europäern die Popularität von Zip-A-Dee-Doo-Dah. Und zu guter Letzt bietet Das Dschungelbuch auch den Stoff für eine schöne Fahrtdramaturgie: Es fängt mit mysteriöser Abenteuerromantik an, als der Besucher in seinem Boot den indischen Dschungel erkundet, dann treffen wir Balu, Baghira, Louie und swingende Evergreens umgeben einen.Doch mit Shir Khan naht auch das Unheil, und während des finalen Kampfes, bei dem auch die Umgebung längst nicht mehr so bunt und einladend ist, erwartet uns auch der größte "Drop", nevor wir sicher in der Menschensiedlung angelangen.

Platz 2: Fantasia
Ein äußerst ungewöhnlicher Vorschlag, das gebe ich zu. Und man kann wohl nie wissen, ob Europas selbsternannten Kulturhüter Disney dafür lobpreisen werden, in einem Freizeitpark Raum zu finden, klassische Musik zu zelebrieren, oder ob sie diese "Verkitschung und Kommerzialisierung" verdammen. Zudem bin ich mir sehr unsicher, ob im Fantasyland (dem einzigen angemessenen Ort für eine Fantasia-Wildwasserbahn) genug Platz für ein weiteres, großes E-Ticket-Fahrgeschäft ist. All dem zum Trotz: Fändet ihr es nicht auch ein sehr aufregendes Konzept für eine Wildwasserbahn? Stellt es euch doch nur vor: Man würde zu den Klängen von Beethovens Pastorale durch die warme Welt der griechischen Mythologie gondeln, man ließe sich von der Nussknacker-Suite verzaubern, während einem die tanzenden Pilze auch wieder ein kleines Grinsen entlocken, zu Paul Dukas Der Zauberlehrling zieht die Fahrt an Tempo und Brisanz an und dann türmt sich der bedrohliche Chernabog auf, der uns zu Eine Nacht auf dem kahlen Berge in die Tiefe stürzt.
Fantasia bietet genug Stoff für einige wunderschöne Fahrtsequenzen, die mit komplexen und simplen Animatronics in ihrer Stimmung wandelbaren Landschaften auf die Besucher warten.
Was sich die Imagineers genau überlegen sollten, sind die Fragen, ob man alle Fantasia-Sequenzen verwenden möchte (wenn nicht, werden Liebhaber bestimmter Sequenzen enttäuscht sein, doch durch Verzicht ließe sich eine kohärentere Fahrtdramaturgie erschaffen) und ob man sich auch für Fantasia 2000 öffnen möchte. Rhapdody in Blue etwa fällt musikalisch und stilistisch völlig raus, aus Pomp and Circumstances könnte man dagegen die Hinleitung zu einem kleineren "Drop" machen (das Finale sollte man wirklich Chernabog überlassen) und die Sequenz zur Feuervogelsuite ist eigentlich prädisteniert für eine malerische Nachstellung im Fantasyland.

Platz 1: Rapunzel

Argumentieren wir erstmal aus der Perspektive Disneys: Rapunzel war ein weltweiter Erfolg und ist den Kinogängern noch sehr frisch in Erinnerung. Damit sticht Rapunzel sämtliche bislang genannten Kandidaten für die Vorlage des europäischen Splash Mountain locker aus. Und (Achtung, Schenkelklopfer) völlig an den Haaren herbeigezogen wäre eine Wildwasserbahn zur süßen Blondine auch nicht. Die vom Oscar-nominierten Song Endlich sehe ich das Licht begleitete Laternensequenz ist die magischste Disney-Sequenz seit vielen Jahren, und sie spielt zufälligerweise auf dem Wasser. Diese Szene nacherleben zu können wäre einfach traumhaft. Und die von vielen als eine der besten Disney-Actionpassagen gefeierte Sequenz am letztlich zusammenbrechenden Damm ist eine ideale Ausrede dafür, dass man für Rapunzel keinen simplen Darkride, sondern eine Wasserbahn baute. Mir schwebt eine Kreuzung aus Splash Mountain, Pirates of the Caribbean und Fantasyland-Darkride vor. Und da sich schon Peter Pan's Flight und Co. nicht sklavisch an die Filme halten, ist's auch bei Rapunzel vollkommen akzeptabel, wenn man erst im Boot an Rapunzels Turm vorbeifährt, bevor man eine Prügelei vor dem Snuggly Duckling mitbekommt und dann an dem Wasserwerk vorbeikommt, wo sich Flynn als kühner Recke beweist und der Besucher ordentlich durchgerüttelt wird. Es folgen ein ruhiger Fluss und atemberaubende Aussichten, bevor es am Lagerfeuer plötzlich finster wird und Mutter Gothel in einer Nebelbank verschwindet, hinter der uns ein weiterer Absturz erwartet. Man kommt im pittoresken Königreich aus, bestaunt die schwebenden Laternen und abrupt wird es ein drittes und letztes Mal brenzlig... Ich finde, aus Rapunzel ließe sich die "spannendste" Wildwasserbahn auf dieser Liste gestalten, und während etwa die Pocahontas- und Dschungelbuch-Bahnen im geschlossenen Raum eher befremdlich wirkten, könnte sich Rapunzel durchaus zum Großteil in einem vor dem Regen geschützten Gebäude abspielen, ohne dass viel vom Zauber verloren ginge. Bei all der Angst vor Pariser Regenschauern also ein Spitzenargument. Aber mich selbst überzeugen vor allem die Vorstellung, die Laternensequenz zu erleben und zu den finsteren Klängen der Mutter weiß mehr-Reprise ins Dunkel zu stürzen. Wobei richtig gelungene Animatronics von Maximus und Flynn, die sich ein erbittertes Duell liefern, ebenfalls großen Reiz haben.

Das waren also meine fünf Vorschläge für eine Wildwasserbahn im Disneyland Park bei Paris. Ich stelle sie zur freien Verfügung, die dürfen gerne geklaut und umgesetzt werden. Ich bin da idealistisch und freue mich schon genug, wenn eine dieser Fahrten umgesetzt wird. Sollte man mich dennoch vergüten wollen, werde ich mich kaum wehren. Und eine Anstellung als Ideengeber fände ich ebenfalls nicht übel.
Zustimmung, Zweifel und konkurrierende Vorschläge sind als Kommentare gern gesehen. Haut in die Tasten.

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2 Kommentare:

Lutz hat gesagt…

Also, ich könnte mir auch, gerade im Hinblick darauf, dass das Finale an einem Wasserfall spielt, einen Splash-Mountain vorstellen, der sich auf "The Rescuers Down Under" (der bekloppte deutsche Titel kommt mir nicht über die Lippen) bezieht. Abgesehen von der Wasserfall-Szene gibt es glaube ich keinen Disney-Film, der sich so sehr auf Kamerafahrten oder irrwitzige Flüge/Fahrten stürzt wie dieser. Ich denke, daraus könnte man eine Menge machen, auch wenn das natürlich nie geschehen wird. Der Film war zu wenig erfolgreich und wenn man sich auf Bernard und Bianca stützt, dann ist es in der Regel er erste Film, der erwähnt wird.

Auch da wäre allerdings auch was möglich, wenn man das als Rennen durch die Teufelssümpfe betrachtet und in so einem Blatt-Boot am Ende durch die Welle, die sich zwischen den beiden Krokodilen bildet, über die Kuppe eines Wasserfalls geschleudert wird.

Ich bin wirklich kein Bernard und Bianca-Fan (schon eher vom zweiten als vom ersten Film), aber ich finde, die Filme böten sich für so eine Fahrt geradezu an.

Aber nochmal: Was die Wahrscheinlichkeit angeht, dass diese Filme als Basis eines Rides gewählt werden, sehe ich schon, dass diese gegen 0 tendiert.

Dr-Lucius hat gesagt…

Also, wenn man mal "Das Dschungelbuch" im Kino um 16 Uhr in der ersten Reihe inmitten hunderter grölender Gören erlebt hat, und dann kommt dann diese Schlange da mit ihren Hypnotierungs-Augen, und alle sind plötzlich ganz still, die Augen sind 4 Meter groß, hach, dann muss man diesen Film doch lieben...
Äh, tja, und das während eines Splash-Rides...

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