Dienstag, 3. August 2010

Musikalisches Immergrün - Meine 333 liebsten Disney-Lieder (Teil LIV)

zurück zu Teil LIII
Platz 21: He Mele No Lilo aus Lilo & Stitch
Musik von Mark Keali'i Ho'omalu und Alan Silvestri, Text von Mark Keali'i Ho'omalu

Nach dem wilden und unerwarteten Sci-Fi-Opening schlägt Lilo & Stitch plötzlich einen ganz anderen Ton an. Warme, farbenfrohe Bilder, helle und glockenklare Kinderstimmen. Ein betörendes, hawaiianisches Lied, das besonders rhythmisch und sehr hoffnungsvoll klingt. Die umschmeichelnden polynesichen Klänge sind ein wundervolles Kontrastprogramm zur vorhergegangenen Weltraum-Action und versetzen einen sofort auf die wunderschöne Insel, auf der die kleine Lilo lebt, der wir während des Vorspanns (im Meisterwerkekanon seit Pocahontas nicht mehr zu sehen) zu ihrer Hulastunde folgen. Wir lernen Chris Sanders und Dean DeBlois Wasserfarben-Bilderbuchvision des Inselstaats kennen, in der alles runder und voller ist, als in der Realität. Dazu passt Mark Keali'i Ho'omalus fröhlichen und zugleich zurückhaltenden Kinderchor, dessen mit leichter Percussion begleiteter, himmlischer Gesang sehr gut, da er authentische Hawaii-Stimmung erzeugt, aber dennoch etwas ungewohnt wirkt, da man üblicherweise Steel Drums und Ukulelen mit der einheimischen Musik Hawaiis verbindet.
Ursprünglich wollten die Macher von Lilo & Stitch ihren Film mit typischen, hawaiianischen Volkswaisen eröffnen, allerdings taten sie sich schwer, das geeignete Material zu finden. Während Aufnahmen von Referenzvideos für die Bewegungen beim Hulatanz lernte das Team Mark Keali'i Ho'omalu kennen, der ihm einige Lieder aus einem Repertoire vorstellte. Der Produzent Clark Spencer verguckte sich in zwei seiner Lieder, die seiner Meinung nach beide jeweils genau etwas davon enthielten, wonach man für den Vorspann von Lilo & Stitch suchte. Auf Wunsch komponierte Mark Keali'i Ho'omalu auf der Basis dieser zwei traditionellen Lieder ein neues Stück, welches He Mele No Lilo betitelt wurde, was frei übersetzt Schlaflied der Verlorenen bedeutet.
Aufgrund seiner überdeutlichen Inspiration durch zwei Volkslieder, lässt sich natürlich über die Authentizität von He Mele No Lilo als "echtes" Disneylied dabattieren, allerdings sind die Änderungen gegenüber der Inspirationsquelle groß genug gewesen, um He Mele No Lilo als neuen Song angeben zu können (statt als simples Medley) und Alan Silvestri sogar als Co-Komponisten anzugeben. Außerdem beruht auch Lavendelblau (Platz 316) aus Ein Champion zum Verlieben auf einem Volksgesang, und der wurde seinerzeit sogar als Original-Filmsong für einen Oscar nominiert. Und Arielles Traum (Platz 32) wird auch niemand als Nicht-Disneylied bezeichnen, obwohl Ashman und Menken zugaben, dass er große Parallelen zu Somwhere That's Green aus Der kleine Horrorladen aufweist. Also akzeptiere ich auch das gleichermaßen entspannte wie frohlockende Hulalied als Disney-Nummer.

Platz 20: Wenn ein Stern in finst'rer Nacht ("When You Wish Upon A Star") aus Pinocchio
Musik von Leigh Harline, Text von Ned Washington (dt. Fassung von Heinrich Riethmüller)

Nachdem Donald während eines entspannten Spaziergangs mit seiner geliebten Daisy von einem Blumentopf auf den kopf getroffen wurde, erkennt der cholerische Schnatterich seine liebreizende Begleitung nicht mehr wieder. Doch auch Daisy bleibt völlig perplex zurück, nicht nur weil Donald ihr eiskalte, abweisende Blicke zukommen lässt, sondern vornehmlich aufgrund der unaufdringlichen, wohlklingenden Gesangsstimme, die er urplötzlich besitzt und mit einem spontanen Vortrag unter Beweis stellt. Der Crooner Donald Duck wird mit seinem nuancierten Gesang und dem gefühlvollen Titel Wenn ein Stern in finst'rer Nacht über Nacht zum Star, was Daisy in tiefes Unglück stürzt, da sie ohne ihren Donald nicht mehr Leben möchte. Denn was hat sie davon, dass ihr Freund die Welt verzaubert, wenn sie ihn dadurch verliert?
Jack Kings Cartoon Donald's Dilemma von 1947 ist natürlich weder der erste, noch der bekannteste Einsatzort von Wenn ein Stern in finst'rer Nacht, dennoch ist dieser Disney-Insiddergag als eine der ersten Wiederverwendungen des Eröffnungssongs von Pinocchio bemerkenswert. Immerhin gehört die Version in Donald's Dilemma (egal ob Deutsch oder Englisch) zu den schönsten Aufnahmen dieses Liedes und zugleich gehört sie zum Fundament, auf dem die Legende dieses Songs steht. Der erste mit einem Oscar ausgezeichnete Disneysong wurde seit der Uraufführung von Disneys zweitem Meisterwerk Pinocchio konsequent zu der Disneyhymne schlechthin aufgebaut, zur Erkennungs- und Idenitfikationsmelodie des gesamten Konzerns. Wenn ein Stern in finst'rer Nacht diente als Eröffnungsmelodie der Walt-Disney-Anthology-Fernsehserien, in unterschiedlichsten Arrangements wurde es als Begleitmusik des "Walt Disney Pictures"-Logos verwendet (wobei mir die große Orchesterfassung während der aktuellen Inkarnation des Logos in Kinos mit besonders guter Soundanlage immer wieder einen wohligen Schauer über den Rücken jagt, egal wie oft ich das Logo nunmehr gesehen habe), man hört das Lied in Werbespots, an vielen Ecken und Enden der Parks (besonders bei Laser- oder Feuerwerkshows), als Hornsignal der Disney-Kreuzfahrtdampfer...
Selbst wenn Disneys Hymne Wenn ein Stern in finst'rer Nacht nicht mein liebstes Lied aus dem gigantischen Musikfundus des Traumkonzerns ist, so ist es noch immer von allen das einzig berechtigte für diese ehrenvolle Position. Zunächst schon aufgrund seiner historischen Leistung, einer Walt-Disney-Produktion den ersten Oscar in der Kategorie "Bester Song" einzubringen, viel schwerer wiegt aber, dass dieser Meilenstein in Disneys Geschichte mehr als alle anderen Kompositionen aus dem weitreichenden Disney-Archiv perfekt die Philosophie Walt Disneys einfängt. Wenn ein Stern in finst'rer Nacht ist eine hoffnungs- und sehnsuchtsvolle Komposition, deren Aussage ist, dass Träume wahr werden können, ganz gleich wer man ist. Durchaus eine vortreffliche Erkennungsmelodie für einen Unterhaltungskonzern, der für seine Märchenprinzessinnen, einer Marionette, die zu einem echten Jungen wird oder in jüngerer Vergangenheit auch für kochende Ratten bekannt ist (womit wieder bewiesen wäre, dass Pixar sehr gut bei Disney aufgehoben ist).
Der Erfolg von Harlines und Washingtons Lied stellte sich allerdings nicht erst mit der Zeit ein. Das wirkungsvolle und einprägsame Stück brach seinerzeit einen Rekord in der amerikanischen Hitparade nach dem anderen und sehr früh tauchten Coverversionen zahlreicher Künstler wie Glenn Miller auf. Auch Cliff Edwards, der Wenn ein Stern in finst'rer Nacht als Jiminy Grille die Original-Filmversion einsang, nahm eine neue Version auf. Seither entstanden zahllose Coverversionen dieses Songs, unter anderem von Billy Joel, dessen Version Teil des Projekts Simply Mad About The Mouse ist, Gene Simmons, Ringo Starr und Michael Jackson. Das bekannteste Cover dürfte aber möglicherweise das von Louis Armstrong sein, der dem Lied einen starken Satchmo-Flair verlieh. All diese Coverversionen sind wirklich gut, aber es ist keine Aufnahme dabei, die mich in Begeisterungsstürme versetzt und die Filmfassung(en) vergessen lässt. Wenn ein Stern in finst'rer Nacht ist aber ein wirklich starkes Chorlied - die Melodie, die zurückhaltende Tonfarbe, die träumerische Bestimmtheit, das alles wirkt nochmal um einiegs stärker, wenn sich ein guter Chor diesem Lied annimmt. Deshalb ist es zwar verwunderlich, weshalb in der deutschen Zweitsynchronisation (in der ersten Fassung blieb das Stück im Original) aus Jiminys Solonummer ein Choral wird, allerdings ist es kein sonderlicher Grund zur Beschwerde.
Das vom American Film Institute auf Platz 7 der 100 großartigsten Lieder der Filmgeschichte gewählte Stück ist in vielen Ländern, darunter Japan, Schweden, Finnland, Norwegen und Dänemark, mittlerweile fester Bestandteil des Weihnachtsfests geworden, da es aufgrund der Parallelen zum Stern von Bethlehem auch wunderbar als Weihnachtslied fungiert. Dabei wissen Kenner von Küss den Frosch, dass ein ganz anderer Stern besungen wird. Die Melodie von Wenn ein Stern in finst'rer Nacht wurde außerdem von John Williams in seinen Score zu Steven Spielbergs Unheimliche Begegnung der dritten Art eingearbeitet. Meine liebste instrumentale Fassung bleibt aber Mark Mancinas Orchestrierung für das 2006 vor Pirates of the Caribbean - Fluch der Karibik 2 eingeführten neuen Disneylogos.

0 Kommentare:

Kommentar veröffentlichen