Dienstag, 6. Juli 2010

Musikalisches Immergrün - Meine 333 liebsten Disney-Lieder (Teil XLIX)

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Platz 41: Willkommen ("Welcome") aus Bärenbrüder
Musik und Text von Phil Collins (dt. Fassung von Leslie Mandoki & Matthias Monka)

Kenai hofft, sich auf dem Berg, an dem das Polarlicht den Boden berührt, von einem Bären wieder in einen Menschen zurückverwandeln zu können. Um sein Ziel zu erreichen, schließt er sich widerwillig dem kleinen Bärenjungen Koda an, der mit seinem ständigen Geplapper an Kenais Nerven zerrt. Dennoch wachsen die beiden zusammen, und als sie auf ihrem Weg die Fischgründe erreichen, wird Kenai dazu gedrängt, seine Hast bei Seite zu schieben und sich auf Koda und seine alten Bekannten einzulassen. Im Bärenparadies lernt Kenai endlich, das Leben zu genießen und Momente auszukosten. Repräsentiert wird das ausgelassene Fest durch einen wundervollen, entspannt-fröhlichen Song von Phil Collins, der sich im Original noch "The Blind Boys of Alabama" mit ins Boot geholt hat. Der Song Willkommen lehnt sich ein wenig an lässigere Gospel-Bluesnummern an und versprüht eine glückliche, in sich ausgeglichene Lebenseinstellung. Der Text zelebriert Freundschaft, Gemeinsamkeit und erfüllende Erinnerungen und im letzten Drittel gibt es wieder eine hineingemogelte Phil-Collins-Ballade, in der Collins Kenais innere Stimme symbolisiert und ergreifend feststellt, wie geborgen er sich unter seinen neuen Freunden fühlt. Kurzum: Willkommen ist ein großartiger, nicht zu dick auftragender Song.

Platz 40: So ein Mann ("Son of Man") aus Tarzan
Musik und Text von Phil Collins (dt. Fassung von Frank Lenart)

Tarzan, der letzte Film der so genannten Disney-Renaissance, beginnt damit, dass Tarzans Eltern stranden und im Dschungel vom Leoparden Sarbor getötet werden. Kala findet das kleine Menschenbaby und zieht es als Ersatz für ihr ebenfalls durch Sarbor verlorenes Kind auf. Darauf folgt ein Zeitsprung in Tarzans Kindstage, während derer er erstmals die Unterschiede zwischen sich und seiner Ziehfamilie bemerkt und seine Existenz hinterfragt. Bis Tarzan Jane kennenlernt und so Tarzans innerer Konflikt zwischen biologischer Herkunft und der durch Sozialisierung geschaffenen Heimat ausgelöst wird, sollen noch einige Jahre vergehen. Diesen Übergang zwischen Tarzans Kindertagen und seinem Erwachsensein stellt Regisseur Kevin Lima mittels einer Montage dar, die aus dem Off von einem antreibenden Poprocksong begleitet wird. Und was für eins: Phil Collins, der in Tarzan gewissermaßen als singender Erzähler fungiert, legte sich für diesen Film richtig ins Zeug und schuf einige ordentliche Filmsong-Kracher. So ein Mann ist ein straffer Montagesong, der das Tempo der Sequenz bestimmt und für den richtigen Takt beim Bilderwechsel sorgt. Tarzans fortschreitende Entwicklung zum künftigen Herrscher des Dschungels wird mitreißend beschrieben und lässt seine Tollereien unglaublich großartig aussehen. Denn mit der richtigen Begleitmusik sieht alles nochmal deutlich besser aus. Phil Collins Gesang trifft egal in welcher Version genau die richtige Note zwischen zu den Bildern und Musik passenderweise aufregend und Tarzans Entwicklung treffend einfühlsam und bewundernd. Das Arrangement von So ein Mann gefällt mir allerdings im Film eine Spur besser, als in der elektrischeren und leicht gestrengeren Pop-Singleauskopplung, mit der Phil Collins die Radiostationen enterte. Für das Bühnenmusical wurde So ein Mann sehr gut adaptiert und bekam eine leicht verspieltere, Percussion lastigere Orchestrierung verpasst; an die Filmfassung reicht die Musicalversion dieses Songs allerdings meiner Meinung nach nicht ganz heran.

Platz 39: Leinen los ("Shiver My Timbers") aus Muppets - Die Schatzinsel
Musik von Barry Mann, Text von Cynthia Weil (dt. Fassung von Eberhard Storeck)

Im Sonnenuntergang liegend schimmert verführerisch ein entlegenes Eiland. Eine Bande verruchter Piraten hievt mühevoll einige vollgepackte Schatztruhen auf den glühenden Sand der mysteriösen Insel. Mühevoll schiebt die halsabschneiderische Mannschaft ihre schwere Beute durch die verderbendrohende, unwegsame Natur, ständig bewacht vom gestrengen Blick des gefürchteten Kapitän Flint. Kaum ist das Raubgut an einem unzugänglichen Ort vergraben, zückt der hinterlistige Piratenkapitän seine Steinschlosspistolen und erschießt kaltblütig seine Crew. Begleitet wird der schicksalshafte, letzte Landgang der todgeweihten Freibeuter von ihrem schweren, eisenfresserischen Gesang. Ihre dunklen Seeräuberstimmen lassen gepeinigt eine getriebene, selbstbelastende und gleichermaßen martialische Melodie erklingen. Nur wenige Meilen legten sie auf der unheilvollen Insel zurück, bevor weitere in das geplagte Lied mit einstimmen: Totenschädel, Schlangen, Krabben, Moskitos, ein Krokodil, ein Affe, ein Oktopus... und Schweinestatuen. Muppets - Die Schatzinsel beginnt dank des Songs Leinen los auf seinem gewaltigen Höhepunkt - einer tadellosen Vereinigung von schreckensvoller Seeräuber-Stimmung und munterer Muppet-Mentalität. Die Wirkung des Songs, voll aufgedreht und in Dauerschleife gehört, gleicht einem Rumrausch. Beklemmend und antreibend. Die Musik ist grimmig und einschüchternd, jedoch anspornend energisch. Hinzu kommen die gerrissen verfassten Texte, die bedrohlich sind, gleichermaßen aber amüsant. Nicht nur weil sie zu großen Teilen von Muppets dargeboten werden, sondern auch wegen der bedachtsamen, stellenweise lakonischen Wortwahl, wie etwa "Sie ertrinken ihr Gewissen mit 'nem Flasch' voll Rum und legen ganz gerne Mal einander um. Ja sie schießen aufeinander, dass es nur so kracht und wenn einer stirbt, dann hat es Spaß gemacht" oder aus dem Original "The devil himself would have to call them scum" und "When de' money in the ground dere's murder in de' air".
Leinen los ist ein herausragender Eröffnungssong, der nicht nur das beste aus der Piraten- und der Muppetwelt zu einem stimmigen Ganzen vereinigt, sondern gerade heraus süchtig macht. Schade nur, dass kurz nach diesem Lied ein Kulturschock wartet. Nein, nicht mit den anrachischen Muppets, sondern mit einem durch die Bank weg weinerlichen Wimmer-Jim-Hawkins. Auf den feisten Muppethumor wird man während Leinen los sachte vorbereitet, statt harschem Piratenabenteuer folgt allerdings erstmal ein anstrengendes Bübchen, das gerade ein wenig Laune auf Entdeckungsreisen hat. Mrmpf.
Festgehalten sei an dieser Stelle, dass es ein wirklich cooles und die Stimmung adäquat umsetzendes Rockcover von der Band MADISON gibt, das zwar nicht an die Filmfassung (ob deutsch oder englisch) heranreicht, es aber trotzdem wert ist, mal angespielt zu werden.

Platz 38: Sei ein Mann ("I'll Make a Man Out of You") aus Mulan
Musik von Matthew Wilder, Text von David Zippel (dt. Fassung von Helmut Frey und Leslie Mandoki)

Jeder Film, dessen Protagonist im Laufe der Handlung vom unbedarften Neuling zum aufgeweckten Profi wird, braucht eine Montage. Und wenn diese gut geschnitten ist, die Mosaiksteinchen, aus der die Montage besteht gut gewählt wurden und der Montage-Song richtig reinhaut, dann ist es eine gute Montage. Völlig gleich, wenn einige Filmlehrbücher davon abraten solch eine Zeitraffersequenz in sein werk einzubauen.
Die Disney-Studios sind für mich fast schon Könige in dieser Kunst, gelungene Montagen einzubauen, die den Filmliebhaber in mir nicht aufschreien lassen. Wieso Mulans voranschreitendes Talent als Soldat(in) durch irgendwelche komplizierten Wege darstellen, wenn der naheliegendste (eine Montage) uns einen dermaßen großartigen Song wie Sei ein Mann beschert? Diese Komposition verkörpert Kraft, Durchsetzungsvermögen und einen eisernen, Willen - es ist anders gesagt das perfekte Disneylied für das eigene Fitnessprogramm. Ja, Rocky besetzt wohl für alle Ewigkeit den Platz der berühmtesten Begleitmusik für eine Trainingsmontage, doch ich finde, dass Sei ein Mann die beste musikalische Begleitung für solch eine Szene ist. Die militärische Drumline, der wundervoll pathetische Ensembleeinsatz im Refrain, die eingestreuten Geigenklänge - zusammengenommen verleiht das Sei ein Mann nicht nur anspornende, kämpferische Qualitäten, sondern vor allem auch eine epische Breite, die sich an dieser Stelle auch auf den Film Mulan überträgt und somit hilft den epischen Gesamteindruck des Films (vor allem im letzten Drittel) zu stärken. Angenehm auch die Ironie des von Hauptmann Shang gesungenen Songs, der für bare Münze genommen suggeriert, dass nur durchtrainierte Soldaten waschechte Männer sind (und umgekehrt), obwohl im Kontext des Films offensichtlich ist, dass dies ein in Trugschluss ist, der auf einem stereotypen Verständnis der Geschlechterrollen beruht. Die Reprise von Sei ein Mann verdeutlicht den ironischen Effekt nochmal, indem sich die mittlerweile mit Mulan befreundeten Soldaten als Konkubinen verkleiden, während der Song spielt. Mulan dagegen bleibt ungeschminkt.
Vergleichsweise ungewöhnlich an Sei ein Mann ist die Tonlage: Das im 4/4-Takt gehaltene Lied beginnt in e-Moll und im dritten Vers rückt es in die Tonlage f-Moll, obwohl man bei einem stimmungsvollen, schnellen Disneysong sicherlich eher an Dur denken würde. Aber die im frühen Musikunterricht suggerierte Faustregel "Moll = traurig, Dur = fröhlich" scheitert eh an einigen expliziten Beispielen, da der Rhythmus oder die Klangfarbe des Sängers die emotionale Wirkung eines Stücks stark beeinflussen können.
Sei ein Mann
wurde als Disney-Kampftrainingslied passenderweise auch von Jackie Chan eingesungen, und zwar sowohl auf Kantonesisch, als auch auf Mandarin. Meine favorisierte Fassung bleibt allerdings die deutsche: Auf Deutsch klingt das Lied gleichmals um einiges "männlicher", als in den übrigen Versionen.

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